Er ist das Größte am Alten Testament.

Als Kind war er mir voller Rätsel. Ich habe mir die seltsam klingenden Details so vorgestellt, wie ich sie aus dem Alltag kannte. Du salbest mein Haupt mit Öl. Das Öl war Livio, wissen Sie, das kam in so einer dreieckigen Metalldose mit gelbem Verschluß. Die Vorstellung, unser Gott sei einer, der mir als Kind etwas aus dieser fernsehwerbungsgeläufigen Öldose in meine damals noch recht vollen und schwarzen Haare gerieben hätte, fand ich sehr verunsichernd.

Aber andere Einzelheiten waren durchaus ermutigend. Empfohlen wurde nämlich volles Einschenken. Wir Kinder versuchten das und gossen soviel Kirschsaft ins Glas, wie eben ging, um auch ja genug davon zu kriegen. Plörrten natürlich was auf die weiße Tischdecke.  Fingen uns heftige Reaktionen mütterlicherseits: „Könnt ihr da nicht besser aufpassen? Das gibt doch echte Flecke!“ Der liebe Gott verwendet offensichtlich keine helle Tischwäsche, sondern Psalm 23 entnahm ich, daß es im Himmel eher rustikal eingerichtet sein müsse. Stört nicht, wenn’s mal überläuft. Kommt regelmäßig vor.

Gestützt wurde meine Mutmaßung über die karge himmlische Aussteuer durch den zweiten Halbsatz der ersten Zeile: „nichts mangeln“ hieß es da. Wenn meine Mutter was zum Mangeln wegbrachte in die kleine Heißmangel am Karlsplatz, da, wo heute nebenan die alte Kornblume ist, war vorher harte Fronarbeit angesagt: „Wäsche recken“, wie das bei uns auf messingsch hieß. Die knittrigen Decken, Bezüge und Überschlaglaken wurden nach dem Abnehmen von der Leine im Garten glattgezogen und zusammengenommen. Wanderten in einen Waschkorb. Alles Kinderarbeit, die ich irgendwie unnötig und ‚sollte verboten werden‘ fand. Wie beruhigend – im Himmel war nichts mit Mangeln.

Vom lieben Gott die Schwester, behauptet Hans-Dieter Hüsch steif und fest, betreibt eine Wäscherei in Dinslaken. Kein Zweifel, googeln Sie mal „Gott, Wäscherei, Dinslaken“ – da! Er ist also auch mit den Leuten, die Mangeln wichtig finden.

Den Tisch im Angesicht meiner Feinde – für diese Metapher benutzte Klein-Volker innere Vorstellungen aus renommierter Weltliteratur. Der gedeckte Tisch, der war wie in unserer Bertelsmannschen Familienausgabe von Grimms Märchen. Das „Tischlein deck dich“, so ein kleiner, quadratischer, der bis zu den Rändern vollstand mit einem Teller, einem Glas und Leckereien drumherum. Die Feinde waren vom Stamm der Sioux-Ogellallah, und Karl May alias Old Shatterhand mußte sie vorher an Bäume gefesselt haben – klar, sonst wären sie ja an die Bisonsteaks drangegangen. Da tafelt der Held des Westens, und die fiesen Native Americans zerren an den Riemen, kriegen aber nichts ab.

In Wirklichkeit ist das alles ganz anders gemeint vom Psalmisten. Echte Flecke werden mir mein Leben lang erhalten bleiben.

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