Bis vor kurzem war mir noch gar nicht so geläufig, was sich dahinter verbirgt: Leute versuchen, im Internet eher behäbigen Textilkäufern wie mir zu suggerieren, so langsam würde es mal wieder Zeit. Es scheint eine hohe Kunst zu sein, oder zumindest wird sie ordentlich honoriert, so daß es Menschen gibt, die davon gut leben.

Gelegentlich kommen die aus anderen Kulturkreisen. Sind hier zu uns geflüchtet. Wurden geduldet, bekamen möglicherweise Asyl. Bekamen gelegentlich Jobs, wurden aber enttäuscht, daß ihnen wieder gekündigt wurde, als die staatliche Förderung für die Arbeitgeberin aufhörte. Irgendwann haben sie probiert, sind einen Blog angefangen und haben Mitmenschen in ihrer Heimatsprache Textilkäufe anempfohlen oder etwa Kosmetik. Vielleicht auf amharisch gesagt, richtig als Deutscher beginnst du zu fühlen, wenn in dir das Bedürfnis aufkeimt, einmal die Woche durch den Baumarkt zu schlendern.

Auf einmal überweist ihnen Google mehrere tausend Euro, weil es offenbar gut gelingt, ihre Landsleute für deutsches Heimwerken zu begeistern. Sie schicken erstmal einen großen Teil davon an die Verwandtschaft im Heimatland, die es zum Überleben gut gebrauchen kann. Sagen dem Jobcenter, ist gut, danke für eure Anschubhilfe, ich glaube, ich komme jetzt allein klar. Ist ja auch ein gutes Gefühl.

Deutsche Kontaktpersonen denken an dieser Stelle, ja und das Finanzamt? Und wie läuft das jetzt mit der Krankenversicherung? Unsere Influencerin hat das eigentlich nicht direkt als erstes gedacht. Das ist ja auch eine sehr deutsche Denke. So wie Männer im Baumarkt.

Also gut, sie geht beim Finanzamt mal vorbei. Dort gibt es ja auch so ein Bürgerbüro. Die freundliche Beamtin spricht ein bißchen Englisch und versucht ihr Bestes, der Influencerin zu erklären, daß man sich in Deutschland als Selbständige lieber in die kompetenten Hände von Steuerberaterinnen oder -beratern begeben sollte. Das leuchtet unserer Influ nicht so recht ein. Schließlich scheint es, als wolle die Behörde doch Geld von ihr. Warum sagen die dann nicht einfach, welchen Teil sie wohin überweisen müßte?

Sie ruft mit Hilfe ihrer deutschen Kontakt-Freunde bei ein paar von diesen Steuerberatern an. Dort wird ihr in freundlichem Ton klar gemacht, sie solle mit ihrem Problem doch lieber wegbleiben. Man fühle sich nicht in der Lage, ihr das alles zu erklären. Ist ja auch wahr – von den Fachangestellten kann nicht erwartet werden, daß sie einer Ausländerin das komplette System erklären. Das Finanzamt verlangt von allen unternehmerisch tätigen Personen die elektronische Übermittlung der Bemessungsgrundlagen für ihre Einkommen-, Umsatz- und eventuell sogar noch Gewerbesteuern. Das Einstielen ist eine aufwändige Sache. Dafür ist die Zeit der Büro-Chefin oder der qualifizierten Mitarbeiter eigentlich zu teuer. Gut, wenn jemand ein Restaurant aufmacht, das hat Substanz, da hat man länger was von, da gibt’s vielleicht auch mal eine Betriebsprüfung zu betreuen, da verdient die Kanzlei Geld mit der Sache. Sowas könnte man als Mandat annehmen.

Aber eine Influencerin? Wer weiß, wie lange die das durchhält? Nachher investiere ich jede Menge Zeit, ihr das alles einzustielen, und bei der nächsten besten Gelegenheit nimmt sie dann doch lieber eine Stelle in der Gastronomie an.

Wenn ich ihr jetzt erzähle, daß das Finanzamt vom Internet auch schon was gehört hat? Daß private Verkäufe über Ebay von dort durchaus kritisch beobachtet werden. Auch hier erwartet die Behörde eigentlich, daß eine selbständige oder sonstwie gewerbliche Tätigkeit angemeldet wird, auch wenn man noch nicht so recht weiß, ob das auf Dauer Bestand haben könnte. Vielleicht haben die schon eine Bundes-Influencer-Prüfstelle eingerichtet. Oder sie kaufen sich von einem Google-Mitarbeiter eine größere DVD, auf der alle Zahlungen an Influencerinnen in Deutschland während der letzten zehn Jahre verzeichnet sind.

Verschickt werden dann so gelbe Briefe, Postzustellungsurkunde. Eröffnung eines Steuerstrafverfahrens. Na ja, dann muß man wohl was machen. Das lohnt sich dann meistens auch für daran beteiligte Anwälte oder Steuerberater. Aber muß es soweit erst kommen?

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