Das meiste Seltsame kennen Sie vermutlich schon: fehlende Kinderfreundlichkeit der Deutschen manifestiert sich im vollen USt-Satz für Babywindeln. Inkontinenzwindeln sind dagegen ermäßigt. Liebe zum Wald und zum Detail zeigt sich in vier möglichen USt-Sätzen für Tannenbäume, nämlich 5,5%, 7%, 10,7% oder 19%. Kann man nachgoogeln, wann und wieso das so ist.

Heute mal ein Umsatzsteuersachverhalt, der sich in leicht veränderter Form wirklich einmal zugetragen hat, als es das Schengen-Abkommen noch nicht gab. Grundlage war der Wochenendausflug einer Gruppe von Kegelvereinen ins Böhmische mit einem Reisebus, der auf dem Rückweg am Grenzübergang Waidhaus dem Zoll wohl merkwürdig vorkam. Auf Befragen erklärte der Fahrer, er sei eigentlich schon in Rente, habe sich den Bus vom früheren Arbeitgeber-Betrieb ausgeliehen und einen ins Westfälische ausgewanderten Tschechen als Reiseführer dazugeholt, der sich auch darum gekümmert hätte, ein Hotel in Prag zu buchen, die Brauereibesichtigung und alles.

Die Abkürzung „KM“ steht für Kontrollmitteilung. Eine solche bekam das westfälische Heimatfinanzamt des Fahrers vom Waidhauser Zoll und konnte daraufhin feststellen, daß in der Steuererklärung des emsigen Fahrers vom Gewinn aus Kegelausflügen nichts drin stand.

Der Kegelbrüderfahrer bekam in der Folge so einen gelblichen Umschlag, Eröffnung eines Steuerstrafverfahrens. Die Fahnder luden zu einem Gespräch ins Finanzamt, das sich Vernehmung nennt wie beim Tatort. Erklärten ihm seine Rechte, nahmen ihn unter Hinweis auf mildere Strafen bei Aufklärungsmitwirkung gehörig in die Mangel und erfragten die Anzahl ähnlicher Reisen innerhalb der letzten zehn Jahre (also der Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung). Errechneten eine hinterzogene Einkommensteuer auf den großzügig geschätzten Gewinn, aber auch eine recht beeindruckende hinterzogene Umsatzsteuer aus den geschätzten Einnahmen bei den Touren.

Ein befreundeter Anwalt schickte ihn zu mir.

Eigentlich gar nicht so mein Ding. Eine „gestaltende“ Beratung ist viel angenehmer als eine „rettende“. Hier muß man akzeptieren, wie die Sache gelaufen ist – und meistens ist sie dumm gelaufen. Bei den Schätzgrundlagen kann man vielleicht ein bißchen handeln, aber damit hört es meistens schon auf.

Aber bei der Mehrwertsteuer – da konnte man nochmal drüber nachdenken. Nicht bloß für Tannenbäume, auch für Reiseleistungen gibt es einen speziellen Bereich im Umsatzsteuerrecht. Es möchte den Unternehmern helfen, die so etwas an Privatleute verkaufen. Wer Geld für Reisen bekommt und dabei Reisevorleistungen eingekauft hat, für den gilt als Umsatz nur der Mehrwert, den er den Vorleistungen (hier Miete für den Bus, Hotel in Prag und begleitender Reiseführer) hinzugefügt hat. Also nicht etwa der komplette Betrag, den alle Kegelbrüder zusammen bezahlt hatten. Sondern nur der Mehrwert, der unserem Busfahrer nach Abzug der eingekauften Vorleistungen übrig blieb. Hier ist die USt tatsächlich nur eine Mehrwertsteuer.

Schon dieser Umstand reduzierte die Steueransprüche des Finanzamts deutlich. Es kam aber noch dicker. Ich fragte mich, ob diese im allgemeinen recht gut bekannte Kleinunternehmerregelung mit den Spielregeln für Reiseleistungen kombinierbar wäre. Und wirklich, das ist möglich. In unserem Fall blieben die erzielten Mehrwerte jedes Jahres glücklicherweise unter der Grenze des Kleinunternehmerparagraphen. Heute liegt sie bei 22.000 Euro im Jahr. Hinterzogene Umsatzsteuer also Null. Unser Bus-Rentner war glücklich und zufrieden.

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