Weihnachtsgedanken über einen akustischen Stopper

Eines meiner Lieblingslieder gibt’s leider nicht in deutscher Fassung. Es heißt „Hark! The herald angels sing, glory to the newborn king“. Kennen gelernt habe ich es beim Orgelspielen in der britischen Militärgemeinde, was einer meiner Studentenjobs war.

Das erste Wort kann man nicht einfach mit „Horch“ übersetzen, obwohl linguistische Fachleute mir vielleicht einwürfen, das habe aber die gleiche indo-europäische Wurzel. Nein! Hark ist beileibe kein englischer Audi. Horch würde man mit „listen“ übersetzen. Hark gibt’s nur Bibelstellen, oder vielleicht auch bei Shakespeare noch.

Beim Hinweis auf die Engel in der Weihnachtsgeschichte bedient sich Martin Luther in seiner Übersetzung eines visuellen Befehlsworts: siehe, ich verkündige Euch große Freude. Mir als Orgelspieler gefällt das nicht. Martin hat doch sonst immer so knackig formuliert, aber hier hätte er statt „siehe“ etwas dem Gerede Einhalt Gebietendes wie eben „hark!“ wählen müssen. Klar, damals hätte er nicht „hömma“ gesagt wie der Sauerländer oder Dortmunder, auch nicht „hallo“, wie Kinder aus der Ganztagsbetreuung. Er hätte ein Wort gewählt, das den Leuten aus seiner Zeit wohl im Ohr geklungen hätte. Hat er wohl verpasst. Müssen wir mit leben. Hark hat’s in unsere Sprache nur als friesischer Vorname geschafft.

Der Laut hat etwas Einhalt Gebietendes. Das ist nicht das leicht unterwürfige „psst“, das im englischen „shush“ seine Entsprechung findet. Hark kommt mit dem klaren, offenen a daher, mit dem Laut, bei dem man die Gosch am weitesten aufreißen muß, wo also die meisten Dezibel rübergeschoben werden. „Ruich!“ kann man, auch bei Verschmelzen seiner zwei zu einer Silbe, nicht so machtvoll rüberbringen. Das u ist der Vokal mit der kleinsten Mundöffnung.

Dabei gebricht es dem Englischen nicht an Wörtern für „siehe“. Statt ‚look’ verwendet das biblische Englisch hier ‚lo!’, und als mittelschwere Variante kennt es ja auch noch „behold“. Hark bleibt der Hammer, es fängt mit dem gleichen Laut an wie hart oder halt. Deutsche Weihnachtslieder reimen „Still, weil’s Kindlein schlafen will“. Das massive Hark würde das Kindlein wecken, das ist klar, aber für den Engel ist dieser Knallkörper von Wort die angemessene akustische Bremse.

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